Was bedeutet Vaterschaft für Männlichkeit?

Wir sind Kinder einer vaterlosen Gesellschaft und Männer, die fast ausschließlich von Frauen erzogen wurden. Die Kriegs- oder Nachkriegsväter waren meist wortkarge verschlossene zurückgezogene Figuren, die nie geredet haben, außer es gab Ärger. Ihre Söhne, die Babyboomer wurden dann zu Vätern ohne Kriege, die aber dennoch nicht involvierter waren und sich vielleicht drauf verlassen haben irgendwann mit ihren Kindern befreundet sein zu können, wenn sie mal etwas größer sind. Die Millennials kriegen jetzt selbst schon Kinder und auch da haben wir nur 4% an Vätern, die in Karenz gehen. Die Zahlen waren letztens sogar rückläufig und von denen stellt sich auch nur 1%, also nur jeder hundertste Mann überhaupt länger als nur sechs Monate den väterlichen Pflichten – und Freuden. Bis heute haben wir uns also wenig weiterentwickelt – woher denn auch, über Generationen hatten wir eine Menge abwesender oder uninvolvierter Väter, die sich fast ausschließlich über die Erwerbstätigkeit definiert haben. Wir haben kaum Vorbilder, weder in unseren Leben noch in der Popkultur.  

Das Konzept Vaterschaft

Nils Pickert beschäftigt sich schon lange intensiv mit dem Thema, wie über Beziehungen oder Vaterschaft neue Männlichkeiten entstehen können – aus ganz persönlicher lebensnaher Perspektive, wie in seinem Buch „Prinzessinnen Jungs“. Ich habe mich mit ihm über das Thema unterhalten. 

Patrick Catuz

Ich hatte mal eine Diskussion mit meinem Onkel, da ging es darum, dass sich mein Neffe unbedingt eine rosa Schultasche wünscht. Mein Onkel meinte, er wäre ja gar nicht grundsätzlich dagegen, ihn würde Rosa gar nicht stören, aber er müsste das Kind schützen, weil der würde dann gehänselt, aufgezogen oder sogar verprügelt. Deine Geschichte ist jetzt vielleicht nicht ganz unähnlich: Dein Sohn wollte Röcke tragen – aber du hast das ganz anders gelöst. Wie kam es dazu? Und wie bist du damit umgegangen?

Nils Pickert

In meinem Fall ging es um meinen Sohn, der damals gerne die Röcke und Kleider von seiner Schwester getragen hat. Dann sind wir von Berlin Kreuzberg, wo seine Vorliebe für Röcke, Kleider und schicke Nägel einigermaßen unproblematisch war, in die süddeutsche Provinz gezogen. Er ist dort in die Kita gegangen mit seinem Kleid und dann ging es ganz gut zur Sache. Er wurde als Missgeburt bezeichnet, auch von den Kindern, was mich sehr erschreckt hat. Dann hat er das eine Weile lang nicht gemacht und man hat gemerkt das ihn das traurig macht. Er hat irgendwann zu Hause wieder damit angefangen und mich dann gefragt, ob ich ihm da nicht helfen kann, hat mich gefragt, warum das so ist, warum Männer keine Röcke und keine Kleider tragen. Ich habe mich dann dazu entschieden, mir auch einen Rock anzuziehen und das mit ihm gemeinsam zu machen. 

Das hat dazu geführt, dass insbesondere die Erwachsenen ihren Blick von ihm auf mich gehoben haben, weil sie mich viel bekloppter fanden als ihn. Mit den Kindern sind wir darüber relativ einfach ins Gespräch gekommen. Um auf das Beispiel von deinem Onkel zu kommen – ich würde das, was er da angemerkt hat, gar nicht so verteufeln. Diese Angst von Eltern, dass ihre Kinder geschnitten werden gehänselt werden, gemobbt werden, wenn sie sich gender-nonkonform zeigen, sollte man durchaus ernst nehmen. Das ist ja wirklich eine reale Konsequenz, die droht! Diese Bedenken von Vornherein abzuschneiden und zu sagen „ja du spinnst“ und „jetzt hab dich mal nicht so“ und „da wird schon nichts passieren“ halte ich für falsch.

 Ich würde eher versuchen darüber ins Gespräch zu kommen. Vor allem mit Eltern oder auch Kollegen und Kolleginnen, die sagen, sie finden das grundsätzlich gut, aber auch gefährlich und sie würden ihre Kinder eher darin bestärken, das zu Hause zu machen, sie aber nicht damit rauslassen. Ich habe dann immer gefragt, ob klar ist, dass man sich das schon leisten können muss. Das bedeutet, wenn dein Neffe Lust auf eine pinke Schultüte hat und die Alternative ist, dass sie auch eine andere Schultüte kaufen und er ja mit pinken Sachen zu Hause rumlaufen kann, dann müssen wir uns aber fragen: Was machen wir mit Kindern und Jugendlichen, wo es wo es keine Alternative gibt? Die eine andere Hautfarbe haben, die mit einer Behinderung aufgewachsen sind oder irgendeine Form von sogenannter Andersartigkeit haben, die man nicht verstecken kann? Sagt man denen dann auch „ja bleib doch zu Hause!“ oder „mach das nicht, damit du nicht gehänselt wirst“? Das geht nicht! 

Das bedeutet, dein Neffe mit der pinken Schultüte ist nicht das Problem – alle anderen sind das Problem! Eigentlich ist der Job von deinem Onkel zu sagen „ich mach die Schultern so breit wie es geht für den Kleinen und ich verstecke ihn nicht“, weil es in dieser Gesellschaft hunderte, ja tausende von Kindern und Jugendlichen gibt, bei denen das nicht der Fall ist. Es ist der Auftrag von uns allen, die Gesellschaft zu verbessern und zu verändern.

Patrick Catuz

Das sind zwei verschiedene Paradigmen, wie man ein Kind schützen kann – also eine der Vermeidung und die der Verteidigung. Du hast dich in deinem Beispiel hingestellt und dann auch die Blicke und die Sprüche auf dich gezogen, statt auf ihn. Du konntest sie auch anders nehmen als erwachsener Mann. Aber ich kann mir vorstellen, dass es als Elternteil, auch wenn man so couragiert ist wie du, auch belastend sein kann, diesen Weg zu wählen. Du bist ja nicht immer dabei, am Schulhof, in der Klasse, auf dem Spielplatz…

Nils Pickert

Total! Um auf den „Rockfall“ zurückzukommen – du musst dir das auch leisten können, so zu reagieren. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht festangestellt, ich musste nicht am nächsten Tag in der Bank meinen Vorgesetzen erklären, warum ich das gemacht habe. Es hat nichts mit meiner Geschlechtsidentität gemacht. Ich hatte Bock in den Konflikt zu gehen. Es gibt also ganz viele Voraussetzungen, die dazu geführt haben, warum ich das machen konnte. 

Das von allen Menschen zu verlangen, halte ich für sehr schwierig. Ich würde dafür plädieren, dass wir alle gesamtgesellschaftlich so viel machen, wie wir können. Es wird immer Leute geben, die aufgrund von inneren und äußeren Zwängen bei weiter nicht so weit gehen können, wie ich. Es wird auch immer Leute geben, die sehr viel weiter gehen können und sagen werden „hey, wo bleibst du denn?“.  Alle gehen in die richtige Richtung und all das hat seine Berechtigung. Wenn wir mit deinem Onkel ins Gespräch kommen und versuchen, ihn ein bisschen in diese Richtung zu begleiten, dann haben wir schon was gewonnen. Und wenn er sich das aber nicht zutraut oder aus welchen Gründen auch immer nicht kann oder möchte, dass er auch mit der großen pinken Schultüte oder mit einem pinken Hut mit seinem Jungen zu dieser Veranstaltung geht, dann ist das halt so. 

Aber dein Onkel ist da eine gesellschaftliche Schlüsselfigur.  In meinem Job habe ich festgestellt, dass es leider nicht reicht, wenn Männer solchem gender-nonkonformen Verhalten nur indifferent gegenüberstehen. Es sind immer Frauen, die versuchen, da nach vorne zu gehen und zu sagen „lass uns das mal versuchen“. Es reicht nicht, wenn Männer schweigend zustimmen. Aber vielleicht finden wir hier auch andere Mittel und Wege, wie wir ihn einbinden können. Denn Jungen brauchen an dieser Stelle Unterstützung von einer männlichen Bezugsperson.

Patrick Catuz

Diese Vermeidungshaltung kann auch dazu führen, dass sich am Ende die Gesellschaft verändert hat, und wir merken es vielleicht gar nicht, weil wir nie wagen, herauszufinden, dass manche Dinge vielleicht schon ok sind.

Nils Pickert

Das hat mich auch an dieser Rockgeschichte so fasziniert. Die ist durch die Decke gegangen zu einem Zeitpunkt, an dem insbesondere Röcke in bestimmten Subkulturen für Männern ja schon völlig Standard waren. Ich habe ehrlich gesagt nie so richtig verstanden, warum das so ein Riesending war. Heute ist das noch mehr so, aber selbst heute kommen immer noch Menschen auf mich zu, die das total krass finden und gar nicht fassen können, obwohl wir jetzt schon seit langer Zeit an den Gendernormen rütteln und sich einiges getan hat. 

Es gibt immer noch einen Großteil der Gesellschaft, der das sehr befremdlich oder sehr überzogen findet und dann relativ schnell schockiert ist. Gleichzeitig gibt es große Teile der Gesellschaft, für die das normal ist und für die das zum Alltag gehört. Ich finde eben, dass wir alle gegenseitig etwas mehr versichern könnten, dass das, was wir da machen, auch lustig sein kann, Spaß macht, und dass es ganz cool sein kann, seine Identität auszuprobieren. Wenn die Jungen irgendwann keinen Bock mehr darauf haben, das zu machen, na dann lassen sie es halt. Es geht nicht um neue Vorschriften. Jungs müssen jetzt keine Kleider oder Röcke tragen, das wäre genauso absurd, wie es ihnen zu verbieten. Sie sollen das machen, worauf sie Lust haben, solange sie damit niemand anders verletzen und sich wohlfühlen und Spaß daran haben. So sollte es sein. 

Patrick Catuz

Du erwähnst in deinem Buch die „Baby X“ Experimente, die zeigen, wie früh wir schon Klischees auf Kinder projizieren. 

Nils Pickert

Lange Zeit hat man behauptet, Babys seien so eine Art Blackbox, eine weiße Wand, frei von allen Formen von Zuschreibung und Verhaltensweisen. Das würde uns alles erst später an die Hand gegeben und in den ersten sechs Monaten würden sich Babys völlig frei entwickeln und Vorlieben „natürlich“ entwickeln. 

Nun hat man für die Tests Crossdressing verwendet, also Babys wie für das jeweils andere Geschlecht gekleidet. Dann hat man Erwachsene aufgefordert, die Kinder für eine Weile zu bespielen. Da hat man herausgefunden, dass Erwachsene, egal für wie stereotypkritisch sie sich gehalten haben, fast durchgehend dazu geneigt haben, den Jungen, der als Mädchen gekleidet war, mit stereotyp weiblichen Spielzeugen spielen zu lassen und umgekehrt. Das ging so weit, dass sie Kindern die Spielsachen, mit denen die Kinder spielen wollten, weggenommen haben, weil sie der Meinung waren, das sei nicht richtig. 

Das bedeutet, es kommt nicht nur darauf an, dass wir den Kindern nicht sagen, dass sie etwas nicht dürfen, sondern unser ganzes Erziehungsverhalten ist darauf ausgelegt, dass wir auch schon ganz kleine Kinder für bestimmte Dinge loben, bestimmte Verhaltensweisen hervorheben, wir Mädchen häufiger sagen, dass sie gut aussehen, hübsch sind, dass sie uns gefallen und dass wir Jungs darin unterstützen, etwas zu schaffen, zu bauen, kreativ zu werden, etwas zu tun.

Das zeigt uns, wie stark wir darin verhaftet sind, selbst wenn wir denken, wir hätten die Stereotypen schon hinter uns gelassen. Selbst Eltern, mit einem hohen Selbstanspruch an Geschlechtergerechtigkeit und mit einem hohen Maß an Bildung in diesem Bereich fallen in alte Rollenmuster und Stereotype zurück. 

Patrick Catuz

Du meintest auch, Vaterschaft wäre so etwas wie eine Mischung aus schlechtem Witz und Heldentat… 

Nils Pickert

Es gibt so eine Erzählung des „Incompetent Dad“.  Wir finden ihn im TV, in Romanen, in der Werbung. Es gab da mal einen Spot, wo ein Vater seinem Sohn drei Jacken anzieht, den Pizzaboten nicht bezahlen kann, nicht putzen kann und am Ende kam die Botschaft vermittelt wird, dass wenn man möchte, dass es richtig gemacht wird, dann wartet man bis der Mann weg ist und macht es am Ende selbst. Also auf der einen Seite halten wir Väter für inkompetent auch nur die einfachsten Sachen zu machen, andererseits werden Männer abgefeiert, wenn sie die normalsten Dinge leisten, wie beispielsweise ihr Kind zu wickeln. 

Im Leben passiert dir dann beides. Wenn ich mit meiner kleinen Tochter in einer Arztpraxis bin und sie schreit, dann zischt man mir entgegen, wo denn die Mutter sei, weil man davon ausgeht, dass ich als inkompetenter Vater versage. Wenn ich mit meinem Kind Spaß habe, dann finden das alle extrem toll und krass und machen mich zum Superdad, schlicht und ergreifend dafür, dass ich mich mit meinen Kindern beschäftige. Das Absurde an Vaterschaft ist, dass beides gleichzeitig passiert. 

Patrick Catuz

Ein Kollege, der gerade die Hälfte der Karenzzeit beim zweiten Kind macht, hat mir erzählt, dass er für Dinge Schulterklopfer erhält, für die seine Frau aber kritisiert wird – also für das ein- und dasselbe Modell Kritik bekommt, für das er gelobt wird!

Nils Pickert

Das ging uns auch so. Meine Frau hat es nicht so mit Babys, ich aber schon. Sie ist dann nach dem Mutterschutz in ihren Job zurück. Sobald sie das Haus verlässt, gab es die Frage „wer passt auf die Kinder auf?“, als wäre sie eine Rabenmutter. Wenn ich das Haus verlasse und mich auf Bühnen stelle, fragt niemand, wer jetzt eigentlich auf die Kinder aufpasst. 

Ich kenne aber auch die andre Seite von einem Freund, der Elternzeit nehmen wollte, und die Arbeitgeberin hat ihm dann ins Gesicht gesagt, was ihm einfallen würde, er habe sich zur Verfügung zu halten, wenn er Karriere machen möchte. 

Patrick Catuz

Ich habe noch leicht reden, weil ich noch keine Kinder habe, aber ich war die letzten Jahre schon etwas enttäuscht, als Leute um mich herum angefangen haben Kinder zu kriegen und ich gesehen habe, wie wenig sich die Jungs involvieren. Darunter waren auch progressive und reflektierte Typen, die sehr aufgeschlossen sind. Spätestens mit dem ersten Kind sind sie in klassische Rollenaufteilungen gerutscht. Was ist da der Trick?

Nils Pickert

Es ist der Lauf der Dinge, dass wir in Extremsituationen dazu neigen, Rollenverhalten, dass uns vertraut ist, dass wir die ganze Zeit überall sehen, zu adaptieren. Da ist mal zweitrangig, ob wir das gut oder schlecht finden. 

Wir leben in einer Gesellschaft, die das die ganze Zeit befördert, uns auf genau diese Positionen schiebt. Es würde eine Menge Kraft kosten, nicht dorthin zu gehen. Wenn man das nicht möchte, muss man sich eigentlich schon davor zusammensetzen und sich fragen, wie man dagegenhalten kann, quasi einen Beziehungsvertrag machen. Ein Weg sind die Karenzzeiten, aber es geht auch um so Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die Frage, wer die Mental Load hält, wer Kinder ins Bett bringt, putzt, im Kopf behält, was sonst so zu machen ist. Sonst hast du immer so Väter, die nach der Geburt erst mal mit Kumpels in die Kneipe gehen und erzählen, wie krass sie das jetzt verändert hätte. Diese Väter brechen dann völlig zusammen, wenn die Frauen einmal weggehen und Zeit mit ihren Freundinnen verbringen, weil sie nicht wissen, wo oben und unten ist. Sie haben nie die Erfahrung gemacht, dass sie vier bis fünf Stunden, geschweige denn den ganzen Tag für ihre Kinder zuständig sind. 

Der Witz an der Sache ist, dass wir Dudes doch so wahnsinnig stolz darauf sind, was wir alles auf die Reihe kriegen, wie kompetent wir sind. Und bei unseren Kindern weiß ich angeblich nicht, wo oben und wo unten ist. Das kann doch nicht sein! Ich will doch in meinem Leben mehr sein als nur Zaungast oder Aushilfskraft!

Patrick Catuz

Wir haben aber nicht mal 4% Männer, die überhaupt in Karenz gehen, die Zahlen waren letztens sogar rückläufig. Und nicht mal 1% geht überhaupt länger als sechs Monate. Das ist schon sehr wenig. Viele Jungs in meinem Umfeld machen gerade so den Papamonat. Die sind dann da, wenn die Mutter auch noch in Karenz ist. Sie ist schon eingearbeitet und die sind dann bestenfalls Hilfskraft. Du hast aber schon gesagt, dass man da wohl schon früher ansetzen muss…

Nils Pickert

Der springende Punkt ist die Frage, wer die Care Arbeit macht, das ist nicht erst mit Kindern so, das sind Fragen, wer putzt, wer die Verantwortung übernimmt, die Mental Load trägt, also wer denkt an Geschenke, die man für Freunde besorgen muss, wer plant Termine oder Urlaube, wer kümmert sich um Kassenbeiträge. Das sind Dinge, die laufend passieren. In der Standard-Heterobeziehung machen das fast immer Frauen. Das könnte man schon vor dem ersten Kind ändern, damit man nicht noch heftiger auf die Schnauze fällt und es nicht noch dramatischer. Denn egal wie sehr man sich darauf vorbereitet, es wird immer krasser als man denkt. 

Patrick Catuz

Da quatscht man immer, dass es die nächste Generation bestimmt viel besser machen wird und dann kommt es doch anders. Warum sind Männer so träge dabei, etwas zu ändern? Oder haben sie Angst davor? 

Nils Pickert

Es gibt einen eingebauten Sicherungsmechanismus des Patriarchats, dafür zu sorgen, dass sich Männer nicht mit sich selbst beschäftigen und auch untereinander nicht über diese Dinge reden, keine Persönlichkeitsarbeit leisten. Das wird einfach als unmännlich markiert, quasi genau das, was wir beide jetzt hier tun, dass wir darüber reden, wie wir sein wollen, wie wir leben wollen. Dafür kriegen Männer im Patriarchat keine Dividenden. Das ist dann schon beängstigend, man möchte ja ein entspanntes Leben haben, nicht immer die Geschlechtsidentität in Frage gestellt bekommen. Das verhindert man dadurch, sich möglichst identitätskonform und stereotyp zu verhalten. Männer neigen hier ein wenig dazu, Privilegien mit Freiheit zu verwechseln. Unsere Arbeit besteht darin, mit Männern ins Gespräch zu kommen und darüber zu sprechen. 

Ich gebe gern zu, dass sich Privilegien gut anfühlen, aber es ist auch eine gefährliche Sache. Männer sterben immer noch früher, werden häufiger Opfer von Gewalttaten, fahren öfter Dinge an die Wand, die Midlife Crisis ist bei Männern viel stärker ausgeprägt. Das passiert, weil es als unmännlich gilt, Probleme auf eine nachhaltige Weise zu lösen und dabei mit sich selbst und auch mit andere Männer klarzukommen, in einer zärtlichen Art und Weise umzugehen, Beziehungen zu knüpfen. All das steht uns nicht frei. 

Wir müssen mit Männern ins Gespräch kommen. Das funktioniert in einer Form persönlicher Ansprache, bei der wir uns so nackt wie möglich machen und uns so weit wie möglich aus dem Fenster lehnen. Das heißt, sehr persönlich darüber zu sprechen, wie es uns geht, warum manche Dinge nicht funktionieren und warum es sich lohnt, etwas mitzumachen. 

Das ist zäh, das ist anstrengend, das geht nicht so schnell, wie man möchte, aber ich bin überzeugt davon, dass es funktioniert!